Corona 11: 100 Tage Corona-Maßnahmen

100 Tage Corona-Maßnahmen
Nach 100 Tagen soll man ja mal die erste Bilanz ziehen. (Okay, 100 Tage sind leicht gemogelt, weil wir schon lange drüber hinaus sind, klingt aber besser als 119 Tage oder so)

  1. Ich ging davon aus, dass wir nicht länger als Ende der Osterferien oder Ende April aushalten würden, danach wären alle bekloppt.
    Natürlich hat es ein paar Leute erwischt, die bekloppt geworden sind (oder schon längst waren), aber ich bin begeistert, wie gut die Deutschen das hinbekommen haben.
  2. Es zeigt sich in Diskussionen allerdings, dass viele Leute mit elementaren Dingen Probleme haben:
    Wahrscheinlichkeiten. Kontingenz. Sprache.
    Sprachlich fällt mir auf, dass die Wissenschaftler häufig mit „nach jetzigem Erkenntnisstand“, „wahrscheinlich“, „wenn wir jetzt nicht folgendes machen“ etc. arbeiten.
    Das können nicht alle ab – es gibt viele, die brauchen eine kleine Aussage „so isset“.
    Gerne hilft ihnen dabei die Presse, in dem sie die Aussagen der Wissenschaftler abkürzt.
    Sprache ist ungeheuer wichtig.
  3. Viele Leute suchen sich ihre Helden und laufen ihnen hinterher. Dafür können die Helden nichts. Aber das trübt den Blick.
    Beispiel:
    „Wir sollten auf Drosten nicht hören, er lag ja schon bei SARS falsch.“
    Leider ist es nicht so einfach. Erstens siehe 2 und zweitens folgt daraus, dass jemand recht/unrecht hatte, nicht, dass das beim nächsten Mal wieder so ist.
  4. Politik ist ein Feld, in dem es nicht um richtige Handlungen, sondern um richtige Botschaften geht.
    Beispiele: Markus Söder wurde gefeiert, weil er mit harter Hand vorgeht, nicht, weil seine Maßnahmen sinnvoller wären.
    Für mich ist die Bewertung der Politik schwierig: das Eingreifen Mitte März hat uns vermutlich den Arsch gerettet. Insofern: das erste Krisenmanagement der Bundesregierung war – vor allem im Vergleich mit dem Ausland – gut.
    Aber insgesamt sieht es meiner Ansicht nach nicht so doll aus – und das nicht erst, nach dem Söder und Laschet die Corona-Krise als Spielbrett für eine Kanzlerkandidatur entdeckt haben.
    Es fallen uns alte Fehler auf die Füsse. Beispiele:
    Wir hätten gar nicht für teuer Geld Masken einkaufen müssen, wenn wir schon vor 7 Jahren auf das RKI gehört hätten – die hatten auf den Maskenmangel für den Krisenfall hingewiesen.
    Die Bedingungen in der Fleischverarbeitenden Industrie bei Tönnies waren bekannt, es ist aber unser Modell, Billigfleisch zu erzeugen. Damit graben wir unseren Nachbarn teilweise das Wasser ab, die Schweine werden bei uns geschlachtet statt vor Ort.
    Der Umstieg auf digitalen Unterricht wäre einfacher gewesen, wenn in der Bildungspolitik sich in den letzten Jahren wirklich was getan hätte.
  5. Und bei letztem kann man nämlich gleich weitermachen: die Politik sieht in vielen Teilen in der Corona-Krise gar nicht gut aus.
    Die Sofortmaßnahmen fand ich gut, aber danach hatten wir 14 Wochen Zeit.
    In der Zeit hätte man als Bildungsministerium aktiv die Schulen unterstützen können bei dem Versuch, Homeschooling sinnvoll zu gestalten.
    Schon alleine die Idee, Lehrern mal zu zeigen, welche Programme sie dafür nutzen könnten, wäre großartig gewesen.
    Da kam dann Mitte Mai immerhin die (fragwürdige) Information, dass jedes gängige Videokonferenz-Programm okay wäre.
  6. Und dann lenkt die Corona-Affäre noch so schön von allem anderen ab.
    Scheuer dilletiert weiterhin durch die Gegend, jetzt nimmt er das „Raser“-Gesetz zurück. Weil er kalte Füsse bekommen hat, was so seine Wähler eigentlich wollen.
    Da ist dann ganz praktisch, dass er das Gesetz mal wieder formal verbockt hat.
    Statt aber zu sagen „Mea Culpa, da kommt gleich noch das richtige Gesetz“, kommt nur ein „Guckt mal, deswegen müssen wir es einfach zurücknehmen, und bis dahin ignoriert es bitte.“
    Den Steinkohleproduzenten werfen wir auch noch ein paar Milliarden mehr in den Rachen, um vergleichsweise spät aus der Steinkohle auszusteigen. Günstiger wäre es, die Steinkohlekumpel zu Millionären zu machen…
    Überhaupt habe ich das Gefühl, dass Corona sämtlichen Dilettantismus übertüncht… selbst denn Dilettantismus (oder vielleicht ist es auch gewollt), wenn es darum geht, „kleine“ Selbstständige und Künstler zu unterstützen.

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