Deutschland, Deutschland

Jetzt ist es 2 Monate her, seitdem Björn Höcke seine Brandrede vor den „Wir sind das Volk“ gehalten hat. Seiner Ansicht nach wird die deutsche Geschichte „mies und lächerlich gemacht“, denn: „Die Deutschen sind das einzige Volk der Welt, das sich ein Denkmal der Schande in das Herz seiner Hauptstadt gepflanzt hat.“


Jetzt ist die deutsche Geschichte tatsächlich in vielen Teilen mies und lächerlich, und damit meine ich noch nicht mal die Nazis. Und das ist auch nichts typisch deutsches, das findet man in jeder Landesgeschichte. Da muss ich nichts lächerlich machen, das ist so und das wird auch noch in Zukunft so bleiben. Da sorgt allein die CSU für.

Aber: Höcke hat einfach nicht recht. Seiner Behauptung nach verhindert „die dämliche Bewältigungspolitik“, dass wir eine Vision für die Zukunft entwickeln. Die Frage ist doch: dann hilft uns, wenn wir entweder nur an die coolen Sachen aus der Vergangenheit denken – wir haben z. B. mal den Verbrennungsmotor erfunden, ohne den wir den Klimawandel nie hingekriegt hätten – oder einfach die Vergangenheit umdeuten und uns zu Opfern definieren, wie er das ja wunderbar in seiner Rede gemacht hat. Da ist der Bombenabwurf auf Dresden vergleichbar mit den Atombombenabwürfen über Hiroshima und Nagasaki (bei nicht mal 10% Opferzahl und weitaus weniger Spätschäden durch Strahlung) und die deutschen sind da nur Opfer gewesen – einen Grund Dresden zu bombardieren gab es ja nicht, den Krieg hätten die Alliierten ja auch locker durch Aussitzen gewonnen, spätestens 2016 oder so -, aber wir dürfen noch nicht mal über Opfer klagen.

Gut, man hat auch ganz gerne die deutschen Opfer des 2. Weltkriegs beklagt, auch an die Opfer von  Dresden wurden sogar jedes Jahr am 13. Februar um 21:45 durch das Läuten aller Dresdner Kirchenglocken gedacht. Das kann der Historiker Höcke nicht wissen, da müsste man Wikipedia bemühen. Da ist sowieso eine Art AfD-Filterblase drüber. Frau von Storch fragte auch, als das Brandenburger Tor in Gedenken an die Opfer des Anschlags von Jerusalem mit der israelischen Flagge bestrahlt wurde, wann endlich die Anstrahlung mit der deutschen Flagge in Gedenken an die Opfer des Terroranschlags von Berlin geschehen würde? Antwort: nie, weil das schon ein paar Tage vorher war. Muss man nicht mitkriegen, es reicht, wenn man sich überall aufregt.

Und vor allem: wir verharren ja nicht auf dem Gedenken. Auf der Straße laufen ja auch nicht alle Deutschen mit Leichenbittermine rum: „Ach nee, die grausamen Taten des zweiten Weltkriegs. Ich habe heute noch gar nicht meine 30 Rosenkränze deswegen gebetet.“

Wir verehren die großen Leistungen, die Deutsche erbracht haben:
Künstler wie Bach, Beethoven, Wagner oder Goethe.
Erfinder wie Daimler, Benz, Diesel, Zuse, Gutenberg, Siemens, Melitta Bentz, Adolf Dassler oder Luther – der hat eine ganze Kirche erfunden.
Wissenschaftler wie Leibniz, Röntgen, Gauß, Einstein.
Politiker wie Otto von Bismarck, Konrad Adenauer, Willy Brandt.
Wir erzählen von Ihnen. Wir bauen ihnen Denkmäler. Wir rufen Gedenkjahre aus: „500 Jahre Reformation.“ Wir benennen Heringe und Kekse nach ihnen. Wir machen Ausstellungen. Wir spielen ihre Musik. Wir lesen ihre Texte.
Anders als viele andere Völker erinnern wir aber auch an die schwachen Seiten unserer Geschichte mit Mahnmalen.
Vielleicht ist das aber unsere große Stärke und einfach mittlerweile Teil unserer Kultur: das wir uns nicht nur auf das großartige unserer Vergangenheit besinnen, sondern auch auf die nicht so tollen Punkte zurückblicken.
Vielleicht können wir deswegen besser aus der Vergangenheit lernen als andere.
Vielleicht sind wir auch gerade deswegen wirtschaftlich so stark, weil wir  uns  wegen der Vergangenheit nicht so cool finden, dass wir vergessen, dass wir immer an der Zukunft bauen müssen.
Ich finde die 1. Strophe der Nationalhymne übrigens toll.
„Deutschland, Deutschland über alles.“
Ich bedauere, dass man sie nicht singen darf.
Nur verstehe ich die als Auftrag, nicht in die Kleinstaaterei zurückzufallen, sondern gemeinsam zu handeln. Das war zur Zeit Hoffmann von Fallerlebens das Problem: eine Menge Kleinstaaten ärgern sich gegenseitig.
Die Aussage ist: Deutschland ist wichtiger als Lippe, Preußen oder Bayern. Sollte sich auch mal Herr Seehofer anhören.
Auf der anderen Seite befürworte ich, dass die Strophe verboten bleibt, weil sie von denen gesungen wird, die daraus nur ein „Wir sind viel besser als die anderen“ hören, und ein: hey, da sind doch unsere Landesgrenzen drin beschrieben.
Wir sind nicht besser als die anderen. Trotzdem haben wir total großartige Leute in Deutschland. Bei manchen sind auch die Eltern Deutsche. Andere wiederum stammen aus anderen Ländern und sind mittlerweile deutscher geworden als die ewig Geschichte-Verklärenden.
Wir müssen uns gegenseitig vor den Höckes beschützen. Dann behalten wir auch unsere deutsche Kultur und ersetzen sie nicht durch die willfährige jeder Unterdrücker-Herrschaft.

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