Alles dichtmachen

Ich weiß gar nicht, wo man bei Diskussion um „Alles dicht machen“ anfangen sollte…
Es gibt ja wieder mehrere Ebenen, deswegen gehe ich die einfach mal alle durch.
„Man darf nicht alles sagen“
Was ist passiert: eine Gruppe von mehr oder minder bekannten Leuten ist mit Aussagen in die Öffentlichkeit gegangen.
Dafür haben sie massiv aus der Öffentlichkeit und von anderen mehr oder minder bekannten Leuten Gegenwind bekommen.
Sie durften ihre Meinung sagen. Sie werden werden dafür weder verhaftet noch gesteinigt.
Genauso dürfen diejenigen, die anderer Meinung sind, ihre Meinung sagen, und zwar genauso öffentlich.
Also: man darf vieles sagen, solange es nicht gegen Gesetze verstösst – z.B. Beleidigungen. Das funktioniert.
Wenn ich in Deutschland sage „Man darf nicht mehr alles sagen“, dann habe ich eigentlich nicht verstanden, das Meinungsfreiheit nicht bedeutet, dass meine Sätze auch negative Reaktionen bei anderen hervorrufen.
Kleiner Abstecher: Witzig ist übrigens in dem Zusammenhang, dass Zwang immer nur dann schlecht ist, wenn er von einer konträren Gruppe kommt.
Beispiel:
Es gibt dieses berühmte „man zwingt mich zur Gendersprache“. Dabei ist mir noch nicht aufgefallen, dass jemand verhaftet wurde, weil er in :in vergesssen hat.
Es ist für einige LEute, die sich dort unter Zwang sehen, aber scheinbar kein Problem, wenn Merz ein Verbot des Gendern fordert. Ein Verbot ist übrigens mehr als „ich möchte das nicht“, das ist tatsächlich ein Zwang.
„Die Medien berichten einseitig“
Das ist ein inhaltlicher Vorwurf in einigen Aussagen der Gruppe. Auch da gibt es ein großes Mißverständnis: die Medien umfassen dann bitte auch alle Medien einschließlich der rechts-lastigen und der gelebten Idiotie (diese bunten Zeitschriften mit viel Interpretationsfantasie).
Und dann ist die Einseitigkeit kaputt. Natürlich haben Zeitungen eine Ausrichtung. Das ist auch gut so. Die Vielfalt kommt durch die verschiedenen Ausrichtungen.
Qualitätszeitungen zeichnen sich natürlich dadurch aus, dass sie nicht nur in einer Richtung berichten, sondern mindestens mit Gastkommentaren auch andere Blickwinkel zulassen.
„Die Schauspieler liefern keine konstruktiven Ansätze, sie meckern nur“ / „Die sollen Satire den Profis lassen“
Das kam u.a. vom Spiegel.
Es muss möglich sein, zu kritisieren, auch ohne selbst Ansätze zur Lösung zu liefern.
Wenn ich Kritik abschmettere mit „Dann soll er mir gefälligst eine Lösung liefern“, dann werte ich Kritik und auch die Möglichkeit, einfach mal seinen Schmerz zu nennen, ab.
Und auch gegen einen satirischen Ansatz ist nicht zu sagen. Und Hildebrandt hat schon mal ins Klo gegriffen.
Natürlich ist es besser für die Diskussion, wenn man mögliche Lösungen liefert. Aber kein Muß. Wobei dann natürlich dazu kommt, wie und wie häufig man das macht.
„Dann macht doch die Theater für immer dicht“
Die Schließung der Bühnen halte ich für eine durchaus diskutable Sache – zumal hier wirklich einseitig eine Gruppe betroffen ist, und diese trotz gegenteiliger Versprechen nicht ausreichend unterstützt wird.
Und weil z.B. mittlerweile das Kabarettpublikum, dass eh nur 50cm weit atmet, durchgeimpft sein sollte.
Und das ist vielleicht auch das problematische. Die einzelnen Beiträge sind nur teilweise total daneben.
Und einzelne Aussagen würde ich sogar stützen.
Es ist aber eine konzentrierte Aktion. Dadurch stellen sich die Teilnehmer hinter die Aussage der Gruppe.
Ich bin noch nicht mal sicher, ob das wirklich jedem der Teilnehmer klar ist.
Aber die Gesamtaussage ist halt sehr diskutabel.
Was ich schwierig finde: wenn man den Teilnehmern vorwirft, dass sie Querdenkern und AfD Futter gegeben haben.
Tatsächlich ist das nicht vermeidbar. Beide Gruppen greifen mangels großer Zustimmung nach jeden Strohhalm, den sie finden können.
Es ist dann auch gut, dass sich diverse Leute wie z.B. Liefers direkt von AfD und Querdenkern distanzieren. Das ist eine wichtige Aussage.
Das die eher Rechten dann gleich wieder von „Mut“ sprechen – wo dann die Frage ist, ob es mutiger ist, aus einer Gruppe von 53 Leuten heraus zu sprechen oder wie Nora Tschirner als Einzelperson sofort darauf zu reagieren, sei mal dahingestellt.
Aber auch das ist wieder der Strohhalm: wenn ich nicht viel Substanzielles habe, kann ich noch immer versuchen, mit Mut, Ehre und sowas zu kommen – da muss ich nicht beweisen, dass das auch vorliegt.
Und das „Tichys Einblick“ jubelt „es gibt noch regierungskritische Satire“ beweist auch nur, dass es Leute gibt, die lieber über mangelnde Satire lästern als Satiresendungen mal zu gucken.
Alleine schon die Kritik an Scheuer hätten die Macher der Anstalt in anderen Ländern ein paar Jahre Umerziehungslager gebracht..
Ergänzung um 20.33 Uhr: Nochmal zum Thema Mut: richtig mutig finde ich, in einer Intensivstation zu arbeiten. Egal ob gerade Corona ist oder nicht.

Ergänzung:

Okay, noch ein letztes Mal zum #einfachmaldichtmachen:
Ich glaube, wir haben begriffen, dass ein Großteil derer, die das mitbekommen haben, die Aktion für nicht gelungen hielten.
Ich glaube, dass ein Großteil der Akteure das mittlerweile auch so sieht.
Spannend finde ich übrigens auch, wie andere reagierten. Auch #einfachmalschichtmachen reagierte im Verhältnis zu den einigen der Videos eigentlich überzogen – aber IMHO weitaus besser, weil auch ein konstruktives Angebot (gucken sie sich mal ne Schicht an) dabei war.
Vielleicht können wir aber wieder zu Inhalten zurückkommen, wie die Tatsache, dass wir alle unseren Teil beitragen müssen in dieser Pandemie – vielleicht nicht alle gleich.
Ich zum Beispiel muss im Homeoffice bleiben, Künstler und Kulturschaffende werden monatelang von der Arbeit abgehalten und hoffen darauf, irgendwann 2025 vielleicht mal November-Hilfen zu kriegen, Arbeiter gehen in Kurzarbeit – das sind dann schon große Unterschiede.
Da fällt gar nicht auf, dass die CDU-nähere Wirtschaft gar nicht so schlimm dran ist – und man sollte auch nicht neidisch sein, wenn die Lufthansa ein paar Milliarden Hilfen bekommt und zwar pünktlich oder wenn BMW-Aktionäre dann doch was für den Geldbeutel bekommen. Oder wenn die Leute dann doch ins Büro dürfen, um sich mit 10 Leuten aus 20 Haushalten zu treffen. Da noch mal mein Tipp: wir stellen uns gegenseitig ein, dann können wir auch im Privathaushalt zusammenkommen. Stichwort: Minijob.