Politische Kindergartenkultur

Es weihnachtet sehr. Landab, landauf wird es so richtig schön heimelig. Und dabei bemerke ich, dass Weihnachten in gewisser Weise erstarrt unter Bildern und Klischees, die zwar richtig aussehen, aber nichts mehr mit der weihnachtlichen Idee zu tun haben.

Beispiel: in Hamburg wird ein Kindergarten keinen Baum aufstellen. Das ist jetzt nicht so ungewöhnlich für Kindergärten. Ich kann mich auch nicht erinnern, dass bei uns damals ein Baum gestanden hätte. Ist auch ein bisschen Risiko, weil kleine Kinder auf dumme Ideen kommen. Und Platz nimmt der Baum auch weg. Könnte man sagen: soll jede Kita selber entscheiden. Um die Seite der Eltern zu vertreten, gibt es auch Kita-Beiräte, in denen man so was bespricht.

So könnte es laufen – wenn es nicht Leute gäbe, die ein gewisses Bild von Weihnachten hätten und dieses Bild als einzig richtiges begreifen würden. Ein Herr Söder twittert ein bisschen – so ein Tweet ist schnell abgesetzt – und jetzt wird die Kita so richtig weihnachtlich mit üblen Botschaften bombardiert.

Interessant: die deutsche Kultur sieht scheinbar seit Jahrzehnten vor, dass man überall Weihnachtsbäume aufstellt. Früher hat man das Zuhause gemacht und zwar erst am 24. In anderen Ländern schon vorher, aber wir lieben es punktgenau. Da scheint sich etwas an unserer Kultur geändert zu haben. Kultur wandelt sich. Das wird gerne vergessen – und dann verteidigt zum Beispiel Herr Söder den gefühlten Jetztstand.

Tatsächlich gab es Ärger mit jemanden, der Geschenke und einen Baum einfach auf das Grundstück des Kindergartens gebracht hat, weil er der Meinung war, die Kinder brauchen das. Die Kita wollte das nicht. Und jetzt wird er von konservativen Kräften verteidigt, denn er wollte ja nur das richtige. Frage: ist das richtige, übergriffig zu sein und sein eigenes Bild von Weihnachten ungefragt durchsetzen zu wollen?

Auch die GEMA beschießt Weihnachten. Heißt es zumindest. Jetzt wird es so teuer mit den Gebühren, dass man sich mancherorts überlegt, ob man weiter Last Christmas spielen kann. Überraschung: dass Weihnachtsmärkte vollgedudelt werden, ist gar nicht so alt. Noch nicht mal Last Christmas ist so richtig alt. Und noch nicht mal alle Leute mögen die Verdudelung der Weihnachtsmärkte. Manche finden es jetzt sogar viel entspannter.

Bei uns in der Kirchengemeinde wird zum letzten Mal von der sogenannten Kindergottesdienst Gruppe KiGo vor ihrer Auflösung ein Krippenspiel gemacht. Das Krippenspiel war immer eine richtig gute Sache, weil die Kinder und die jugendlichen Teamer sich da immer sehr eingebracht haben. Unter anderem haben sie immer Bezüge in die Jetztzeit gesetzt, zum Beispiel die Weihnachtsgeschichte als Art Gameshow inszeniert. Sie haben sich selbst Gedanken gemacht, Sie haben sich einerseits mit der Weihnachtsgeschichte, andererseits mit der Jetztwelt beschäftigt und das Ganze in Beziehung gesetzt.

Dieses Jahr werden kirchenseitig einige Sachen aus dem Skript gestrichen, weil es zu wenig weihnachtlich war. Damit kommt man einer älteren Dame, die sich nach einem der letzten Krippenspiele entsetzt gezeigt hatte, sicherlich näher. Dann wird es wieder herkömmlicher. Ich zweifle aber daran, dass man damit junge Leute zur Mitarbeit motivieren wird.

In einer Schule wird es etwas Tolles geben: die Kinder sollen soziale Projekte machen (und sich selbst ausdenken), dafür kriegen sie 4 Unterrichtsstunden geschenkt. Die Aufgabe der Eltern – wörtlich: die Aufgabe, es war nicht einfach nur eine Bitte um Unterstützung – ist natürlich die Kinder dabei zu unterstützen. Ich habe mal kurz geguckt: weder im nordrhein-westfälischen Schulgesetz noch in weitergehenden Verordnungen steht etwas über diese Pflicht. Ich finde sie sogar asozial, den es fehlt da das gemeinschaftliche. Zusätzlich: Unterricht ist etwas, was wir als Gemeinschaft ermöglichen. Unterricht ist etwas Wertvolles. Wir haben noch gar nicht so lange die Möglichkeit Unterricht für alle Schüler und vor allen Dingen für alle Schüler, die das wollen, bis zur 13. Klasse zu ermöglichen. Jetzt ist es ein Geschenk, diesen ausfallen zu lassen? Nach den ganzen Ausfällen durch Krankheiten oder Lehrermangel? Und was ist sozial an einem Projekt, wenn ganz asozial Leute dafür zwangsverpflichtet werden?

Können wir nicht einfach Weihnachten ausfallen lassen, wenn wir selbst das so vermurksen?

Ich bin dagegen.

Meine Idee: jeder feiert einfach Weihnachten, wie er das persönlich will. Egal, ob ihr Christ, Atheist, Moslem oder was auch immer: jeder hat Recht auf sein Weihnachten. Und niemand zwingt einem anderen sein Weihnachten auf. Wenn jemand etwas ändern will, Weihnachten verbessern will, kann er das gerne versuchen. Durch sein Beispiel. Aber ohne anderen etwas aufzudrücken.