Nach der Wahl ist vor der Wahl

Die Wahl ist endlich zu ende. Die meisten haben davon gar nichts mitgekriegt. Selbst das Kanzlerduell war weniger interessant als das Testbild. Und wer da Merkel war und wer da Steinmeier – da musste man schon stark auf die Kleidung achten. Deswegen sind die meisten gar nicht zur Wahl gegangen.

Der Rest verwirrt mich. In der Krise gab es ein Licht am Ende des Tunnels. Leider war es der D-Zug. Und gegen den müssen so einige gerannt sein. Einen anderen erkennbaren Grund gibt es nicht dafür, die Partei des Turbo-Kapitalismus zu wählen, nachdem dieser gerade gegen die Wand gefahren ist.  Bei den Amerikanern sieht es anders aus: da gibt es das Licht am Ende des Tunnels, es sind aber die chinesischen Schriftzeichen „Jetzt gehört alles uns.“

Die CDU hat eine geglückte Operation hinter sich. In einer schmerzlosen Blinddarmoperation wurde der Wurmfortsatz namens SPD entfernt. Es ist der Zeitpunkt des forschen Auftretens. Westerwelle führt die FDP zu historischen Höhen, Guttenberg sorgt für das beste Erststimmenergebnis der CSU. Das ist die junge Generation. Da hatte Joschka Fischer schon recht: er war einer der letzten Live-Rock’n’Roller, jetzt kommt die Generation Playback. Geschniegelt, gebügelt, Milli Vanilli-Format. Fischer bezeichnete auch mal Leute als Arschloch. Ich glaube, jetzt hätte er genug Möglichkeiten, das wieder zu tun.

Frau Merkel hat schon verlauten lassen: wir werden unsere Versprechen einhalten, wir werden die Steuern senken. Wobei das ja eigentlich die Versprecher von CSU und FDP sind. Deswegen: Spätestens 2013. Hat sie wirklich gesagt: wir werden die Steuern senken, spätestens 2013. Entweder ist es bis dahin vergessen, oder wir machen ein nettes Wahlkampfgeschenk. So eine Art verbesserter Obama. Der hat ja auch ab Januar sofort das Verbrecherlager Guantanamo aufgelöst. Vielleicht kann man das machen wie die Schuldenbremse: wir versprechen: 2040 werden wir Steuern senken. Vielleicht nimmt man da einfach die Sektsteuer. Die wurde zur Zahlung des 1. Weltkriegs eingeführt, vielleicht ist das endlich bezahlt.

Nebenbei: hat mal jemand bemerkt, dass Frau Merkels CDU 10% der Stimmen verloren hat, die sie letztes Mal noch bekommen hat? Frau Merkel ist glaube ich die erste Person auf dem Kanzlerposten, die noch nicht mal ein Viertel der Wähler hinter sich vereinigen konnte. Die CSU verlor ungefähr 15%, die SPD – ach sprechen wir lieber nicht davon.

SPD-Steinmeier blieb auch in der Niederlage auf der falschen Spur. „Schwerer Schlag für die Sozialdemokratie in Deutschland!“ Meinte er zumindest. Nur: wann hatte zuletzt die SPD etwas mit Sozialdemokratie zu tun?

Bei der SPD beginnt jetzt das Stühlerücken. Zuerst kleben alle – denn sie stellen sich der Verantwortung – danach dürfen alle gehen. Der Münte wackelt schon. Die Linke in der SPD reibt sich schon die Hände. Da träumen wahrscheinlich einige schon von der Vereinigung mit der Linken (copyright by Oscar). Endlich wieder sozialistische Einheitspartei.

Und ich habe mal wieder einen Traum gehabt: vielleicht könnte man den Parteien ein Höchsthaltbarkeitsdatum aufdrucken. Jede Partei darf nur 10 Jahre lang, danach wird sie zwangsaufgelöst. Neu bilden ist verboten – neue Parteien müssen anders heißen und in den ganzen Posten und Pöstchen darf nur 1/3 der Personen wie in einer der alten aufgelösten Parteien wiederzufinden sein.

Gut: das ist ungefähr genauso unrealistisch wie das Wahlprogramm der FDP.

Was mir im ganzen Wahlkampf am meisten Angst gemacht hat:
Es schrieben viel mehr über Angies Geburtstagsessen für Ackermann als darüber, dass die deutsche Bank als größter Schuldengeber der Pleitenbanken die Staatshilfe indirekt einsackte.
Viel mehr Berichte gab es über Ulla Schmidts Fahrten mit dem Dienstwagen als über die Verschleuderung von Steuergeldern in Form der sogenannten Umweltprämie für neue Autos, die dann gleich die Umwelt verpesten durften.
Es zerrissen sich viel mehr über „600 Euro im Monat aber in der Villa wohnen“-Schickedanz das Maul als über den „1000 Euro-pro Stunde wo seine Jacht fährt“-Middelhoff.
Ich nehm mich da nicht aus. Vielleicht war das auch ein Steinchen zum Gewinn der CDU: Angies Frisur und das Dekollete waren mehr in der Presse als ihre Politik, falls sie irgendeine gemacht hat. Den Fehler hat man schon bei Kohl gemacht: 16 Jahre Witze über seine Figur statt über seine Politik.

Guido hat als erstes Aussenpolitische Handlung einem ausländischen Reporter eine Frage nicht auf englisch beantworten wollen. Wir sprechen deutsch. Die englischen Sätze hebt er sich auf für seinen ersten Obama-Besuch:
„Hello, I’m Guido Westerwave. I’m the German Outdoor Minister.”
Der Bush hätte uns gleich zu den Schurkenstaaten gepackt.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.