Einfach mal schwimmen gehen (von Corinna Vanvlodorp)

Bekannter Massen ist es im Schwimmbad ja üblich sich zu entkleiden, in Schwimm- bzw. Badesachen zu schlüpfen – oder quetschen – je nach Figur, den überzähligen Kram irgendwie in einen Schrank zu stopfen, jenen dann abzuschliessen und den mit einem Bändchen versehenen Schlüssel am Handgelenk mit sich herum zu tragen. Der dient dann zum Beispiel als Pfand, falls man irgendwelche Dinge wie Bälle, Schwimmflossen, Brillen oder ähnliches ausleihen will und wird bei der sportlichen Leitung abgegeben.  
Soweit so gut.

Nun geht also die enthusiastische Mutter mit ihrem begeisterten Dreijährigen zum dort wartenden Großen ins Schwimmbad. Der Kleine ist hoch motiviert und innerhalb von wenigen Sekunden bereits ausgezogen. Seine Kleidung hat er optimal auf zwei bis drei Quadratmeter unterschiedlicher Höhe verteilt und während Mama noch in Socken und sonst nackig versucht den Badeanzug auf  Rechts zu drehen – immerhin war es das letzte Mal ziemlich peinlich unter der Dusche, hat der begeistere Nachwuchs bereits das Türschloss entriegelt um hinfort in den Gang Richtung Schwimmbad zu stürmen. Mama schafft es dann auch mit Hilfe der alten Yoga Technik des von hinten um die Ecke biegenden Arms den Sprössling einzufangen und ihn von drei weiteren Minuten Wartezeit zu überzeugen – diesmal ohne Lecker – quetscht sich in den Anzug – ist doch egal wie `rum man den anhat und – erstarrt aber nur für einen Moment.
Aah! Unrasierte Achseln. Das geht gar nicht. Soviel zum Thema: Jaja, mach ich später. – Gut, das ist auch anderen schon passiert, aber man kann sich ja jetzt schlecht ein Schild umhängen – „Sorry, die Kinder haben meinen Rasierschaum leer gemacht – bitte weggucken!“ Und wieder gehen geht auch nicht, weil ja der Bademeister netter  Weise auf den Grossen aufpasst und man den Kleinen sowieso nur zurück in seine Klamotten bekommt, wenn man ihm Hände und Füsse auf den Rücken bindet.
Also, immer freundlich lächeln, die Arme nicht über die Schultern heben beim Winken und so schnell wie möglich in Brust hohem Wasser verschwinden. Gesagt, getan.
In den verbliebenen „Ich bin ein friedliches Kind“ Sekunden wird die Gesamtheit der Klamotten ohne weiteres Nachdenken zu mehreren großen Bällen geknüllt und samt Schuhen so in den Schrank gestopft, dass einem nachher beim Öffnen die Kindersachen zuerst entgegen springen.  Geld einwerfen, Tür andrücken,  Schlüssel umdrehen. Schrank zu. Mist. Eintrittskarte vergessen – und Jacke – und Handtücher. Schrank auf, Klamotten fangen, Handtücher rausholen, Eintrittskarte und Jacke reinstopfen, Geld einwerfen, Tür andrücken – jetzt fester, Schlüssel umdrehen. Schrank zu. Schlüssel abziehen.
Mist. Kind verfolgen.
Unter lauten Rufen: „Nicht rennen!“ in schnellem Schritt wird, ohne auszugleiten die Verfolgung aufgenommen. Vielleicht fängt man den Kleinen ja noch vor der Dusche. Ha! Behindertengerechte Tür mit Selbstöffnungsmechanismus. Super. Noch ein Kurzstreckenspurt und geschnappt.
Mama nun ganz in ihrem Sportlichen Element pfeffert alles was in ihren Händen ist – ausser Duschzeug und Kind in eines der Regalfächer und geht dann unter grossem Hallo in die abschliessbare Dusche. Immerhin hat der Kleine auf dem Weg zum Schwimmbad mindestens zweimal angehalten, um Erdklumpen zu suchen und auch sonst weist die Hautfarbe auf einen sehr aktiven Nachmittag hin. Endlich, nach einiger Zeit des mannhaften Protestes kommt tatsächlich eine entspannte Mutter mit einem rosigen Kind zum Vorschein und wird mit seltsamem Augenaufschlag von zwei Teenagern gemustert, die danach vielsagende Blicke wechseln, bevor sie selbst in der Dusche verschwinden.
Der Badeanzug. Nein. Der ist richtig rum. Also rechts ist rechts ist rechts und vorne und hinten sind bei diesem Modell… Oh nein – die Achselhaare. Nichts wie ins Wasser.
Sie schnappt sich Handtücher und Duschzeug, um sie zum nächsten Regal zu tragen, bläst die Schwimmflügel auf und lässt sich schließlich, samt Kind ins Wasser gleiten.
Gestoppte Zeit: 30 Sekunden.
Jetzt kommt der entspannte Teil. Schwimmen, mit dem Kleinen schäkern, heimlich versuchen allen anderen Frauen unter die Arme zu gucken, um sich nicht so alleine zu fühlen.
Mist, man sieht die Achseln gar nicht. Nur die Unterarme mit dem Schlüssel.
Der Schlüssel.
Ja, den hatten wir eben noch. Also irgendwo hatten wir den doch. Doch bei den Handtüchern. Also in der Hand. Da war ja dieser Gedanke, dass man ihn vielleicht sinnvoller Weise an den Arm machen könnte – immerhin ist er ja dafür da. So mit dem Band und so.
Gut, jetzt ist er weg. Und der Kleine will rutschen. Gehen wir also auf dem Weg zur Rutsche doch mal eben am Duschen-Regal vorbei und hohlen ihn uns.
Soweit so gut.
Das Kind auf den Rücken gepackt, es schreit auch weiter: „Ich will rutschen.“ Geht es also unter gutem Zureden erstmal kurz zur Dusche. „Ja Schatz, gleich, wir holen nur eben den Schlüssel.“
Hm. Kein Schlüssel da. Bestimmt im andern Regal. Er steckte ja zwischen den Handtüchern. Also nochmal an der Rutsche vorbei „Ich will rutschen!“ zum anderen Regal. Handtücher raus nehmen, kein Schlüssel. Handtücher ausrollen. „Ich will rutschen!“. Immer noch kein Schlüssel. Duschzeug rausnehmen. „Ich will nicht duschen!“. Aber der Schlüssel bleibt verschwunden.
Also. Kind auf dem Rücken lassen, nach vorne zur Sportlichen Leitung marschieren. „Nein! Die Rutsche ist da!“ – „Ja, Schatz, Mama muss nur noch eben…“ – „Ich will rutschen!“
„Hallo, ist hier ein Schlüssel abgegeben worden?“ –  „Welche Nummer hat der denn?“
Hm. Woher soll ich das wissen, wer guckt denn da drauf, man hat ihn ja am Arm. Also gut, ich jetzt gerade nicht, aber…. – „Irgendwas mit 220 oder so.
Begeisterte Blicke. Das System baut darauf auf dass man keine universellen Schlüssel verwendet, sondern es einfach für jedes Schloss an jedem Schrank ein Schlüssel-Duplikat gibt. Genau eins.
„Ich kann den Schrank zeigen!“ (Glaube ich.) Und der Bademeister glaubt`s auch.
Wir versammeln uns also vor den Schränken. Die nette Frau, die hier sauber macht, ist auch gleich mal mitgekommen zum helfen. Welcher Schrank war es denn jetzt. 223. Ganz sicher? Ganz sicher.
Also naja. Ziemlich. So sicher man halt sein kann. Gut sie sehen sich ja alle so`n bißchen ähnlich.
Der freundliche Bademeister erklärt mit einem erschöpften Lächeln, er werde dann auch die Schlüssel der benachbarten Schränke mal mitbringen. Also 223. Während der freundliche Bademeister auf Schlüsselsuche geht wird die hilfbereite Dame vom Reinigungsteam in das wahre Geheimnis der Zerstreutheit eingeweiht. „Ich will rutschen!“ Auch der kritische Blick der Mädchen wird zum Thema.
Da Frau an sich ja nie weiß, Frau vom Reinigungsteam aber so einiges erzählen könnte, über das man im weiteren gar nicht nachdenken möchte, werden nun erstmal bei abgesetztem Kind „Mama mir ist kalt!“ alle unverschlossenen Schränke auf dort deponierte Kleider untersucht. Erfolglos. Der Bademeister ist inzwischen auch zurück gekehrt und schließt das beanspruchte Fach auf. Das ist voll hineingequetschter Sachen, auch Schuhe, leider Grösse 48 und grau. Falsches Fach. Wir gehen erneut auf Suche. Jetzt kommt eigentlich nur noch die 225 in Frage. Mist – falscher Schlüssel. Der  Bademeister geht nochmal los. Die Zurückgebliebenen überprüfen die Fächer ab 300. „Mama ich will nicht nach Hause.“
Doch das Schicksal ist gnädig. Der Bademeister ist schnell zurück und verkündet freundlich 225 scheine das richtige Fach zu sein. Immerhin ist er von Kindersachen angesprungen worden die jetzt mit derselben liebevollen Geste wie vor 20 Minuten in Fach 227 eine neue Bleibe finden. Ebenso wie der restliche Krempel. Zwar bleibt die Ermahnung, dass, sollte der Schlüssel verloren bleiben 50 Euro Kosten für die Verliererin des Tages zurück bleiben, allerdings enthält die Jeans neben allen Ausweisen auch so viel Haushaltsgeld, dass man davon durchaus noch drei weitere Schlüssel hätte in den Gulli werfen können. Also werden beide Fächer wieder abgeschlossen, Schlüssel 227 ausgehändigt und angezogen und endlich kann der Gang zur Rutsche angetreten werden.
Der Grosse hat im Übrigen in der Zwischenzeit unter Aufsicht alle Badegäste zweimal gezählt und zwar nach Becken sortiert und in der Gesamtheit, einer Bademeisterin schwarze Streifen aufs T-Shirt gemalt, einen Apfel und eine ganze Brezel verdrückt.
Das Schwimmen geht in die zweite Runde. Achselhaare sind längst Nebensache geworden.
Tatsächlich tauchen dann auch die beiden Teenies aus der Dusche wieder auf, die auf Nachfrage dann auch wirklich nicht nur die Schlüsselnummer wissen, denselben dann aushändigen – sie hatten ihn in die Tasche gesteckt und – wie sie sagen, für ihren eigenen gehalten.
Ende gut, alles gut.

Nun mit zwei Schlüsseln ausgestattet, wird noch ein solider zweieinhalbstündiger Schwimmnachmittag daraus. Mit viel Spass auf allen Seiten und ausreichender Rutschenbenutztung. Am Ende wird hektisch geduscht.
Mama geht auch noch mal den Schlüssel holen, jetzt 227, der war ja als Pfand bei der Sportlichen Leitung verblieben, im Gegenzug gegen eine Schwimmnudel….

Wo war der nochmal zuletzt, im Handtuch, als der Kleine aus dem zu tiefen Becken gefischt werden muss, er hat jetzt gar keine Angst mehr…
Kinder unter die Dusche gesteckt. Bei den Damenduschen kann man einen Rundlauf unter verschiedenen Temperaturen machen und großes Geschrei veranstalten. So weiss man immer wo die Kinder sind. Ist ein Selbstläufer.
Handtuch gesucht, genommen, ausgeschüttelt,  in Panik geraten, zur Badeliege gerannt (Ja- man darf im Schwimmbad nicht rennen!) Schlüssel gefunden und nicht mehr losgelassen, bis die Gesamtfamilie 30 Minuten später unter viel Geschrei und Pallaver, der Benutzung von 3 Umkleidekabinen und allen in die man von da aus kriechen kann, 2 Schränken, 2 Föhns, 47 Papierhandtüchern und einer Flasche Apfelschorle müde aber gut gelaunt das Schwimmbad verlässt. 

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