Auf der Flucht

Ich weiß jetzt, warum es Fossiliengrube Messel heißt. Ich traf da sehr viele joggende Rentner.
Man unterscheidet ja zwischen Amphibien und Fossilien. Amphibien sind schwimmende Rentner.
Apropos Rentner: Mörfelden schaffte es endlich mal ins Facebook, dank des hr. Laut hr soll Mörfelden-Walldorf 143 Flüchtlinge aufnehmen, unter anderem 40 Flüchtlinge in einem Container im Garten einer Seniorenwohnanlage.
Die Angst geht um in Mörfelden. Die Flüchtlinge kommen. Man muss im Erdgeschoss die Blumen wegräumen. Sonst werden sie weggeräumt. Warum weiß ich auch nicht. Vielleicht werden Shishas daraus hergestellt. Oder hingestellt.
Warum regen sich Leute so auf? Vermutlich weil sie rechtsradikal sind. Die Nazikeule wirkt eigentlich als Scheinargument immer. Man kann auch sagen: die Flüchtlinge sind arme Leute, einfach her damit.
Aber ich stelle mir das mal vor. Mein geschätzter Bürgermeister ruft bei mir an… Nein, bleiben wir bei der Wahrheit. Also: mein Bürgermeister lässt anrufen, denn für schreckliche Nachrichten kräht immer sein Erster Stadtrat Urhahn. Der ruft also an und erklärt mir: „Herr Thurau, wir brauchen mal ihren Rasen, wir wollen da ein Flüchtlingszelt aufstellen.“ Zelte passen auch besser, das sind doch die ganzen Beduinen gewohnt, oder?
Gut, viel mehr Verwüstung als meine Kinder können irgendwelche Fremden auch nicht anrichten, aber ich könnte mir vorstellen, dass meine Reaktion nicht unbedingt auf der Seite „Begeisterung“ ausfallen würde.
Auch nach 1945 wurden die schlesischen Flüchtlinge nicht überall mit den Worten „Schön, dass ihr da seid“ aufgenommen, häufig eher im Gegenteil. Und die gehörten sogar zu uns. Also fast. Sprachen schon etwas komisch.
Generell könnte man auch überlegen, ob eine Unterbringung für 40 Leute gleichzeitig auf engem Raum nicht nachteilig sein kann. Da gibt es zwei Möglichkeiten: entweder sind sie alle aus einem Land und verstehen sich sogar gut, dann hat man schnell das Abkappselungsproblem. Oder sie sind aus verschiedenen Ländern, dann mögen sie sich vielleicht nicht. Sie haben eh genug damit zu tun, sich in eine vollkommen bekloppte neue Gesellschaft einzufügen, und müssen dann noch mit 10 verschiedenen anderen Kulturen versuchen zurecht zu kommen.
Auf der anderen Seite: wie will man kleinere Gruppen, z.B. Familien, unterbringen? Dezentral ist ja gut, aber dann lässt der Bürgermeister mich anrufen mit den Worten „Herr Thurau, ihre Kinder passen auch in ein Kinderzimmer, im anderen Zimmer wird jetzt eine syrische Großfamilie untergebracht.“
Man könnte natürlich einfach einen hohen Sichtschutz um Europa bauen und das Elend gar nicht sehen. So eine Mauer wäre vermutlich effektiver als die Wasserfront, die wir gerade errichten. Und wir Deutschen kennen uns da auch besser aus. Ist ein bisschen doof für die Strandurlaube, wenn da eine Mauer steht, aber Opfer muss man bringen. Vor allen Dingen im Süden.
Anders gesagt: wie man es macht, ist es verkehrt. In jedem Fall ist es nicht toll. Es ist nicht toll für die Flüchtlinge. Die haben in ihrem Leben schon mehr mitgemacht, als sich die meisten hier vorstellen können. Und damit meine ich nicht, dass das alles nur nette Menschen sind. Da sind auch Arschlöcher bei. Dummerweise haben die ganz anderer Einstellungen als unsere Arschlöcher hier, sonst könnte man beide ja in Arschlochhausen integrieren.
Das Ganze ist auch nicht toll für die Einheimischen. Die kriegen neue Nachbarn, die zumeist gar nicht hier hinziehen wollten, die Kultur überhaupt nicht kennen und mit den letzten Monaten schon über Jahre hinaus überfordert sind. Da sind Reibereien auch normal.
Aber um das ganze mal umzudrehen: ja, ich kenne genug nach Deutschland eingewanderte, die hier weitaus mehr für Deutschland tun und weitaus gebildeter sind als eine Menge Leute, die mit „Deutschland den Deutschen“ die deutsche Kultur verteidigen, die im Endeffekt bei Ihnen nur aus dem Recht besteht, schon vor dem Mittagessen sich mit deutschem Bier zu besaufen, nachmittags deutsche Talkshows in der Glotze zu gucken und abends ein paar Auslandstämmige zu beschimpfen. Oder in dem Recht, Naziflaggen in den Garten zu hängen. Das befürworte ich sogar, denn Dummheit soll man einfach mal raushängen lassen.
Ich kenne eine Menge Hochqualififizierte, von denen ich eine Menge lernen konnte, obwohl sie wenige deutsche Gene im Blut haben. Was ist so toll dran, deutsch zu sein? Deutsch heißt doch nur, dass man einem Volk zugehörig ist. Und da wurden einfach Ostfriesen, Bayern, Preußen und Vorpommeranzen in einen Sack gesteckt. Westfalen auch.
Mir ist doch egal, ob ich von einem Deutschen beschissen werde oder von einem Nicht-Deutschen. Oder ob es Nicht-Deutscher nett zu mir ist oder ein Deutscher. Mir ist wichtig, dass die Leute nett sind. Also möchte ich jetzt die Parole: „Deutschland den Netten!“ Gut, wir verlieren damit Dieter Bohlen, aber so stark ist der Verlust auch nicht.
Wenn ich irgendwann mal aus Deutschland flüchten muss, weil das Endlager in Gorleben vielleicht doch nicht die richtige Idee war, oder weil ein Atomkraftwerk vielleicht doch nicht die günstigste Art der Energiegewinnung war, sondern einfach nur die, in der man kurzzeitig die meisten Profite, langfristig aber den meisten Schaden anrichten konnte, dann wäre ich verdammt froh, wenn mich ein Land in Afrika, Asien oder Amerika aufnehmen würde. Und ich nicht von Leuten, die ich nicht kenne, als Schmarotzer beschimpft oder als Gefahr betrachtet werde.
Interessant ist aber, dass ja die ganz normalen Bürger jammern, weil neben ihnen ein Flüchtlingsheim errichtet wird. Die Wirtschaft, die eigentlich immer jammert, ist ruhig. Vielleicht, weil sie nicht betroffen ist und sich über baldige Billig-Arbeitskräfte freut? Wie wäre es eigentlich, wenn wir Flüchtlinge bei den Profiteuren des weltweiten Turbokapitalismus unterbringen?
Meine Forderungen:
Zwei Etagen des Deutsche Bank-Hochhauses werden geräumt und schöne Wohnungen für Flüchtlinge errichtet.
Im Garten der Zentrale von Monsanto Deutschland werden Container für Flüchtlinge aufgestellt.
Die Zentrale von McDonalds in München wird brandgerodet, auf der Fläche dürfen dann Rindviecher weiden. Oder ist das nicht eigentlich jetzt schon…
Nebenbei: das Boot bei uns ist nicht voll. Das wird immer leerer. Weil viele Deutsche gar nicht verstanden haben, dass man Deutschland ganz gut fördern kann, indem man Kinder kriegt.
Vielleicht mal ein positives Beispiel für Integration: Pep Guardiola. In Spanien ist ja Jugendarbeitslosigkeit, da hat eine deutsche Weltmarke aus München mittlerweile fast ein Dutzend Spanier angeheuert, teilweise in leitender Funktion. Das klappt sogar ganz gut, die sind weiterhin nationaler Marktführer und mischen auch unter den Top 4 des Weltmarktes mit.
Aber auch dort merkt man noch leichte kulturelle Schwierigkeiten. Die Tage habe ich dem Pep zum Beispiel noch extra angerufen: „Pass auf Blitzeis auf.“ Aber das kennt so ein Spanier ja gar nicht. Und so sind seine Spieler doch ausgerutscht.
Ich frage mich nur: was suchte eigentlich Doktor Müller-Wohlfahrt vor dem Elfmeterschießen mit dem Eisspray am Elfmeterpunkt?

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.