Die deutsche Wirtschaft und die Krise

Wir sind ja jetzt in der Phase, in der keiner mehr weiß, ob wir mit der Krise weitermachen oder nicht. Im März war alles noch so einfach: da hat Institut A –3% gesagt, schon kam B mit –4% und C mit –5%. Das war noch die Überbietungswelle. Da gab es keine positiven Botschaften. Da wusste man, wo man dran ist. Da ging es uns allen schlecht.

Und jetzt: immer wieder positives abgewechselt von negativen. Die einen melden: der Abbau der Arbeitsplätze ist langsamer als gedacht, die anderen melden einen 50% Auftragseinbruch. Das macht doch keinen Spaß mehr. Da weiß man doch gar nicht mehr was los ist.

Zu erst mal folgendes: eine Krise ist auch immer eine Chance. Das wird immer wieder gesagt. Sogar der Weizsäcker soll früher mal gesagt haben: Krise und Chance haben die gleiche Wurzel im Chinesischen. Das klingt erst mal toll. Und ist natürlich Quatsch: da steckt einfach nur das gleiche Schriftzeichen mit drin. Aber beide Worte bestehen nicht nur aus dem Schriftzeichen. Ich gehe sogar soweit: Unsinn und sinnvoll haben auch den gleichen Stamm im Deutschen. Nämlich Sinn. Sie bedeuten aber was ganz anderes. Oder anderes Beispiel: Partei. „Eine Partei ist ein organisierter Zusammenschluss von Menschen, die innerhalb des umfassenderen politischen Verbandes danach streben, politische Macht und die entsprechenden Positionen zu besetzen, um ihre eigenen sachlichen oder ideellen Ziele zu verwirklichen und/oder persönliche Vorteile zu erlangen. Partei kommt vom lateinischen pars, partis = Richtung.“ Wenn man jetzt aber die Sozialdemokratisch davor und Deutschland dahinter setzt, dann kann man „organisiert“ gleich streichen. Und eine Richtung…

Dennoch stimme ich mit von Weizsäcker überein: die Krise ist eine Chance. Die Krise ist eine Chance, die nachfolgenden Generationen für immer in die Pleite zu stoßen. Eine Chance, den Sozialstaat noch weiter auszuhöhlen. Eine Chance, Arbeitnehmer loszuwerden.

Der deutschen Wirtschaft geht es schlecht. Traditionsreiche Unternehmen wie Karstadt Quelle gehen den Bach runter. Es ist so traurig. Quelle hat so eine Tradition. Wie hat doch damals Herr Schickedanz malochen müssen, um während der Nazizeit die Juden zu enteignen. Und was macht jetzt Frau Schickedanz mit dem Bankenhaus Oppenheim: die lassen das den Bach runtergehen. Die arme Frau, die lebt jetzt von 600 Euro. Hat sie selbst gesagt. Das ist quasi Hartz 4. Na gut, die meisten Hartz 4-Empfänger wären froh über 600 Euro. Aber der Rest… die 27 Mio, die sie nach eigener Aussage noch hat, und die Villa, das ist ja fürs Alter zurückgelegt, das dürfen auch Hartz 4-Empfänger.

Der deutschen Wirtschaft geht es schlecht. Man kann nicht mehr alle bezahlen, die man durchfüttert. Da muss man Leute entlassen oder kurzarbeiten lassen.

Der deutschen Wirtschaft geht es schlecht. Die Wirtschaft jammert: wir kriegen keine Leute. Und dafür zu jammern tun die alles. Die verlangen von Dönerbudenverkäufern ein abgeschlossenes BWL-Studium und gute Englisch-Kenntnisse. Es könnte ja mal ein Ami als Kunde vorbeikommen, der kein Deutsch kann.

Der deutschen Wirtschaft geht es schlecht. Siemens musste zugeben: wir machen nur noch 6,6 Milliarden Gewinn, sagt die eigene Prognose. Also soviel wie im letzten Jahr. Dabei hätten es weitaus mehr sein sollen.

Jetzt verstehe ich die Kurzarbeit bei Siemens: 6,6 Millarden – in 100000 Jahren ist das durch die Inflation doch gar nichts mehr. Da muss man jetzt schon handeln.

Die Wirtschaftskrise ist genial für viele Unternehmen: Die Wirtschaftskrise ist eine gute Ausrede, wirklich alles falsch zu machen und alles falsch gemachte den Umständen zuzuschieben.

Die Krise ist auch toll für unseren Staat. Jahrelang war kein Geld da. Während des Aufschwungs. Jetzt ist gar keins mehr da, und dass nicht vorhandene ging schon an die Banken. Dann kann man auch noch mal was für Bildung und Strassen ausgeben. Anders gesagt: wenn man mit fliegenden Fahnen untergeht, dann könnten die Fahnen auch aus Gold sein. Bitte nicht falsch verstehen: ich bin für mehr Geld in der Bildung. Ich bin auch für mehr Konzept in der Bildung und in der Verwaltung, das ist aber ein anderes Thema. Ich verstehe nur nicht, dass Geld erst dann da ist, wenn es nicht mehr da ist. Es zeigt aber, dass die Politiker gelernt haben, sich also gebildet haben. Die Banken haben das genauso gemacht: mit nicht vorhandenem Geld Milliardengewinne gemacht.

Auch für uns Angestellte ist die Krise gut. Die ist sogar sehr gut. Vom Aufschwung habe ich nämlich nix mitbekommen. Von der Krise haben wir alle was. Da weiß man: ich bin dabei. Da weiß man, dass man noch lebt. Nachdem wir schon jahrelang nichts mitbekommen haben. Das fiel mir das erste Mal 1990 auf. Der Kapitalismus hat nämlich gegen den Sozialismus / Kommunismus gewonnen. Geschätzter Leser, blicke doch einfach mal in den Spiegel: so sehen Sieger aus. Die meisten DDR-Bürger machen es wenigstens richtig und fühlen sich immerhin wie Verlierer, aber fühlen sich die meisten Wessis auch wie Sieger? Wir sind seit 1990, seitdem der Gegenpol fehlte, auf gutem Weg von der Sozialen Marktwirtschaft – ehedem eher eine sozial angehauchte Marktwirtschaft – zur Freien Marktwirtschaft. Frei bedeutet: frei von Sinn und Verstand.

Das einzige wirklich positive an der Krise wäre gewesen, wenn auch im Bundestag Kurzarbeit eingeführt worden wäre. Vielleicht wären einige unsinnige Gesetze dann nicht zustande gekommen.

Wir könnten uns aber auch an anderen Ländern orientieren und die Krise abschaffen. Der Verwaltungschef der östlich von Moskau gelegenen Region Noguinsk, Wladimir Laptew, hat den Begriff „Finanzkrise“ einfach verboten. Da könnte jetzt Zensursula von der Leyen ins Spiel kommen. Statt nur Seiten mit Kinderpornos mit einem Stoppschild zu versehen, könnte man das auch mit Seiten, die „Finanzkrise“ oder „Wirtschaftskrise“ enthalten, machen. Und wenn man unseren Politikern Glauben schenkt, hat man damit was gegen die Krise getan.

Falls der geneigte Leser das hier nicht lesen kann, sondern nur ein virtuelles Stopschild sieht, ist das schon geschehen.

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